Modellbaustudio Rhein/Ruhr 1:72
Extra 300

von Bernd Korte


Zum Vorbild
(übernommen aus der Classic Plane Bauanleitung)

Der erfolgreiche Kunstflieger Walter Extra baut seit Anfang der 90er Jahre die Extra 300, die auch jetzt noch zu den leistungsfähigsten Kunstflugmaschinen zählt. Der hochwertige Flügel und das Leitwerk bestehen völlig aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen, während der Rumpf eine aluminiumbeplankte Rohrkonstruktion ist.

Angetrieben wird das Flugzeug von einem 300 PS Lycomingmotor. Mittlerweile werden neben dem Mitteldecker Extra 300 auch ein Tiefdecker (Extra 300 L = Low wing) und ein Einsitzer (Extra 300 S = Single) angeboten. Die beiden Doppelsitzervarianten werden einsitzig vom hinteren Sitz aus geflogen. Die Extra 300 (Mitteldecker) verfügt über zusätzliche Fenster im Beinbereich.


Der Bausatz

Alle 25 Teile befinden sich an einem hellgrauen sauber gefertigten Spritzling. Dazu kommt noch ein Tiefzieh-Teil für die Bodenfenstergruppe und die gespritzte Cockpithaube, die bei mir sogar zweifach beilag. Weiterhin liegen noch vier Resinteile zur Nachbildung des optionalen Vierblattpropellers bei. Der Bausatz ist in „short run“ Manier hergestellt und besitzt feine Gravuren, Passstifte sucht man allerdings vergebens. Da Classic Plane laut Verpackung aber sowieso nur „den Sammler und ernsthaften Modellbauer“ anspricht, sollte dies keine allzu große Hürde sein.

Dagegen wirft die Bauanleitung mehr Fragen auf als sie beantwortet. Das doppelseitig s/w fotokopierte DIN A4-Blatt zeigt zwar neben einer durchaus brauchbaren 1:72 Risszeichnung auch Bilder der beiden baubaren Maschinen, nämlich der D-EGEW und der D-EAEW, diese sind aber so dunkel, dass sie bestenfalls bei der Positionierung der guten Decals helfen können. Baustufenzeichnungen gibt es keine, lediglich die Bemalung wird für beide Markierungsvarianten gesondert beschrieben. Vorbildfotos sind bei diesem Projekt für eine genaue Lackierung also Pflicht. Und ebenfalls im Cockpitbereich wird man ohne Bildmaterial nicht weit kommen. Eine ausführliche Bausatzvorstellung gibt es übrigens auch im Modellbauforum von flugzeugforum.de.


Das Puzzle beginnt…

Da es wie gesagt weder Baustufenbilder noch eine Teilenummerierung gibt, muss man sich ganz auf seine Vorbildunterlagen und die mehr oder weniger vorhandene Modellbauer-Intuition verlassen. Zugegeben, an diesem Vogel ist nicht gerade viel dran. Dennoch schaffte es ein Teil lange Zeit, mir seinen konstruktiven Zweck zu verheimlichen. Doch dazu später mehr.

Dieses war mein erstes Flugzeugmodell bei dem ich als ersten Schritt die beiden Rumpfhälften miteinander verklebte. Dank der großen Cockpitöffnung lässt sich die Inneneinrichtung nämlich leicht später einfügen. Im Bausatz steht diese aus einem Cockpitboden, zwei Sitzen und zwei Instrumentenbrettern. Doch schon der Cockpitboden scheidet wegen technischem KO vorzeitig aus: Die Extra 300 hat wegen ihrer Rohrkonstruktion keinen extra eingezogenen Boden. Weiterhin würde das in den Rumpfhälften richtig wiedergegebene Bodenfenster so verdeckt. Hauchdünn geschliffen und zweigeteilt (wegen dem Bodenfenster) setzte ich dieses Teil dann doch noch ein; quasi als „Bodenblende“, die so die unvermeidbare Klebenaht des echten Cockpitbodens abdeckt.
Als nächstes wurde ein Stück Plastiksheet so zurechtgeschnitten, dass es als Schott direkt vor die leere Motorsektion geklebt werden konnte. So fällt der Blick durch die Lüftungsöffnungen der Motorverkleidung später nicht direkt ins Cockpit.
Die beiden Instrumentenbretter sind zwar enthalten, weisen aber keinerlei Struktur auf. Darüber hinaus ist das hintere völlig unterdimensioniert, wohingegen das vordere etwas zu groß erscheint. Beide wurden daher nach Vorbildfotos komplett neu angefertigt. Auch die Sitze erfuhren umfangreiche Modifikationen, so erhielten sie z.B. je einen Steuerknüppel und Gurtzeug aus Kreppband.
Die kniffeligste Aufgabe war es jedoch, die erwähnte Rohrstruktur im Cockpit – wenn auch nur ansatzweise - wiederzugeben. Beide Sitze, Pedale und die hintere Konsole wurden mittels heißgezogener Plastikröhrchen quasi „freischwebend“ im Cockpit angebracht.

Die Montage der restlichen Bauteile bereitete da schon weit weniger Kopfzerbrechen. Seitenleitwerk, Höhenleitwerk und Hauptfahrwerk passten recht gut und benötigten nur wenig Spachtel- und Schleifarbeit. Da ich das Spornrad, die Auspuffrohre und den Propeller erst nach der Lackierung anbringen wollte, blieb nun nur noch das ganz zu Anfang genannte ominöse Teil übrig. Zwischenzeitlich hatte ich wenigstens herausbekommen, dass es sich dabei um ein Stück der unteren Motorverkleidung (das schräg einlaufende Blech unter den Auspuffrohren) handelte. Doch erst die Rohbaubilder eines Extra 300 Bausatzes in 1:32 eines amerikanischen Modellbaukollegen brachten endgültig Licht ins Dunkel und ich konnte den Rohbau abschließen.


Die Lackierung

Eine der beiden Bausatzcockpithauben wurde so angepasst, dass sie mit ein wenig Weißleim fixiert als Maskierung des Cockpits benutzt werden konnte. Nachdem auch die fünf Bodenfenster mit Schaumstoff verschlossen waren, wurde zuerst Rot lackiert (FS 21310, hier Model Master 1503). Da dem Kit nur die blauen Rumpfstreifen als Decals beiliegen, wurden nun die roten Streifen auf Tragflächen und Höhenleitwerk abgeklebt. So gut es ging mischte ich mich dann an den Blauton der Rumpfstreifen heran (soll FS 25102 sein). Auch der Propellerspinner erscheint in diesem Farbton. Die Propellerblätter sind vorne weiß mit roten Spitzen und hinten schwarz. Eine Schicht Erdal Glänzer bereitete das Modell auf die Abziehbilder vor.

Sauber gedruckt ließen die Decals nur zwei Layout-Fehler erkennen. Zum einen waren die weißen Trennstreifen zwischen den blauen und roten Bereichen des Höhenleitwerks viel zu kurz und mussten durch Material aus der Restekiste ergänzt werden, und zum anderen waren die vier Sternen-Trios für die Tragflächen in einem falschen Winkel gedruckt, so dass jeder Stern separat ausgeschnitten und mit der einzelnen Spitze nach vorne zeigend aufgeklebt wurde (quasi wie ein Soviet-Stern). Mit etwas Weichmacher schmiegten sich die blauen Rumpfbänder sogar um die Motorverkleidung und das Seitenleitwerk. Ein weiterer Überzug Erdal Glänzer versiegelte die gerade beendete Dekorarbeit. Auf eine Alterung wurde bei diesem Kunstflugmodell fast komplett verzichtet. Lediglich die seitlich am Motor eingravierten Lüftungsgitter wurden mit etwas verdünnter Ölfarbe hervorgehoben.


Die letzten Kleinigkeiten

Nachdem alle Fenster-Maskierungen entfernt worden waren, schnitt ich die Bodenfenster einzeln aus und klebte sie mit Weißleim in die Öffnungen. Zwischenzeitlich hatte ich mir mit der zweiten Cockpithaube als Form eine neue dünnere Kanzel aus Klarsichtverpackungsmaterial (ich nehme dafür z.B. gerne die Klarsichtdeckel von Frischkäseschälchen) tiefgezogen. Diese wurde ebenfalls mit Weißleim im geöffneten Zustand angeklebt.

Jetzt konnten auch das Spornrad und der Propeller, die bruchgefährdetsten Teile dieses Modells, montiert werden. Je ein Positionslicht an den Tragflächenenden wurde mit einem kleinen Tropfen Weißleim dargestellt. Da dieser klar austrocknet, ist er zur Nachbildung solcher kleinen Transparentteile bestens geeignet. Den Abschluss aller Arbeiten machten die beiden „Spades“ (Ausgleichsgewichte an den Querrudern), die aus Ätzteilresten und heißgezogenen Plastikprofilen entstanden.

Classic Planes Extra 300 ist sicherlich kein alltäglicher Bausatz. Erst ein anderes gebautes Exemplar habe ich im Internet finden können. Umso genauer sollte man sich dieses zivile Kleinod einmal anschauen, wenn man noch eines finden kann (am besten über Modellbaustudio Rhein Ruhr). Denn schon mit relativ wenig Eigeninitiative (für einen Kleinserienbausatz) kann man aus diesem Kit trotz oder gerade wegen seiner „Größe“ einen echten Hingucker und Farbtupfer für die heimische Vitrine zaubern.

Referenzen:

· Die Bauanleitung (Scherz)
· Google-Suche nach Stichwörtern wie „Extra 300“, „D-EGEW“ etc.

Danke an Deun Yu für’s Foto-Shooting!

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